Leitend für das Projekt ist es, über das Konzept des Service Learning die wissenschaftlichen Inhalte von Vorlesungen und einem Seminar mit gemeinnützigem Engagement der Studierenden bei einem Praxispartner zu verknüpfen und den Theorie-Praxis-Transfer bei der Projektbearbeitung systematisch zu reflektieren.
Über „Service Learning“ bzw. „Lernen durch Engagement“ wird die Möglichkeit gegeben, fachliches und methodisches Wissen aus vorgeschalteten und begleitenden Vorlesungen zur Analyse einer Problemstellung und Erarbeitung von praktischen Verbesserungsvorschlägen einzusetzen. Die theoretischen Inhalte des „Learning“ werden mit der praktischen Erfahrung, dem „Service“, verbunden. Deutlich über andere Lehrformen hinausgehend wird dabei der Theorie-Praxis-Transfer durch regelmäßige Reflexionsphasen und eine begleitende Evaluation systematisch begleitet.
Entsprechend den Problemstellungen besitzen die Untersuchungen den Charakter von Lehrforschungsprojekten, in denen z.B. auch quantitative und qualitative Datenerhebungsverfahren und Analyseinstrumente zur Untersuchung und Ableitung von fundierten Handlungsempfehlungen eingesetzt werden. Die Studierenden sollen forschend und zugleich praxisorientiert arbeiten bzw. lernen. Zur Überprüfung des Lernerfolgs der Studierenden, zur Reflexion und für das gegenseitige Feedback ist die Lernplattform Moodle ein wesentliches Element.
Problemstellungen
Studien belegen, dass es Studierenden in ihrer eigenen Wahrnehmung in vielen Fällen nicht hinreichend gelingt, Theorien, Modelle und Methoden zur Problemlösung bei sich wandelnden Problemlagen kontextgerecht einzusetzen bzw. zu adaptieren. Theorie und Praxis werden oft als Widerspruch wahrgenommen. Daher muss die kompetenzorientierte Lehre noch mehr dazu befähigen, Theorien, Modelle und Methoden zur Problemlösung in variablen Situationen einzusetzen. Vor allem wird auch die systematische Reflexion des Theorie-Praxis-Transfers als verbesserbar eingeschätzt.
Kritik wird daran geübt, dass zu viele Inhalte an Universitäten lediglich auswendig gelernt würden und schon nach kurzer Zeit nicht mehr adäquat abrufbar seien. U.a. werden daher Lehrformen benötigt, die dazu beitragen, das Gelernte kognitiv tiefer zu verarbeiten.
Es zeigt sich in zunehmendem Maße, dass zur Erlangung von Handlungskompetenzen neben fachlichen und methodischen Kompetenzen weitere zentrale Schlüsselkompetenzen wie Sozial- und Selbstkompetenz in angemessener Weise noch besser vermittelt werden könnten. Dies gilt z.B. auch in Bezug auf Projektmanagement, Führungsfähigkeit, Präsentationen, Zeitmanagement, Teamfähigkeit, Persönlichkeitsentwicklung.
Immer mehr Hochschulen definieren gesellschaftliches Engagement als Teil ihres Bildungsauftrags. Jedoch findet sich übergreifende Kritik, für ehrenamtliches Engagement sei in „durchmodularisierten“ Studiengängen und Bildungsbiografien kaum Platz. In sehr straff organisierten Studiengängen könne man sich den Blick über den Tellerrand in für die Gesellschaft übergreifend wichtige Bereiche nicht leisten.
Kritisiert wird, dass bei einigen Studierenden das bloße Erwerben von Credit Points unabhängig von Inhalten in den Vordergrund rücken würde. Diesbezüglich können Projekte in der Lehre, bei denen die Studierenden das Gefühl haben ´´etwas Gutes zu tun„, die Motivation und den Lernerfolg deutlich und messbar erhöhen.
In der übergreifenden Debatte wird die Relevanz von Corporate Social Responsibilitiy bzw. gesellschaftlicher Verantwortung und Ethik stark betont und die Berücksichtigung in der universitären Lehre einschlägig gefordert. In diesem Kontext können Studierende auf herausfordernde Handlungssituationen, die Integrität und Werte berühren, durch die Bearbeitung von entsprechenden Projekten noch besser und nachhaltiger vorbereitet werden.
Studierende an Universitäten kritisieren häufiger, dass Kontakte in die Praxis bzw. zu Netzwerken für den beruflichen Einstieg nach dem Studium weiter verbessert und potenzielle Berufsfelder besser erkundet werden könnten.
Was ist Service Learning?
Service Learning bzw. Lernen durch Engagement ist eine sich an renommierten deutschen Universitäten zunehmend verbreitende Lehrform. Ziel des Konzeptes ist es, fachliches und methodisches Wissen aus Vorlesungen bei der Bearbeitung praxisrelevanter Problemstellungen einzusetzen. Die wissenschaft-lichen Inhalte des „Learning“ werden mit gesellschaftlichem Engagement, dem „Service“, verbunden.
Entsprechend der von den Praxispartnern, wie Non-profit-Organisationen und öffentlichen Unter-nehmen/Verwaltungen, aufgeworfenen Problem-stellungen, besitzen die Untersuchungen den Charakter von Lehrforschungsprojekten, in denen fundierte Analysen und Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Davon profitieren Gesellschaft, Studierende, Praxispartner und die universitäre Ausbildung.
Lehrkonzept
Didaktische Leitidee des Lehrforschungsprojekts „ServeLearnPuMa“ ist studierendenzentriertes selbstgesteuertes und forschendes Verantwortungslernen in authentischen Handlungskontexten im Rahmen der Lehr-Lernform Service Learning. Die Studierenden wenden die theoretischen Inhalte, die sie in einer Vorlesung und einem Seminar lernen, im gemeinnützigen Bereich bei der Bearbeitung eines Projekts eines Kooperationspartners praktisch an. Durch regelmäßige Reflexionssitzungen und begleitende Evaluationen wird der Theorie-Praxis-Transfer gezielt reflektiert. Im Sinne einer studierendenzentrierten Lehr-Lern-Kultur nehmen die Studierenden keine wissensreproduzierende Rolle ein, sondern agieren als kooperative und forschende Lernende. Ziel ist das Lösen von praktischen Problemstellungen durch Anwendung und Anpassung von in der Vorlesung gelehrten wissenschaftlichen Theorien, Konzepten, Methoden und Instrumenten. Die wissenschaftlichen Grundlagen hierzu werden in Vorlesungen und Seminaren vermittelt. Lehrmethoden sind hier u.a. Vorlesung, Fallstudien, Partner- und Gruppenarbeiten mit anschließenden Gruppenkurzvorträgen, das Arbeiten in Tandem- und Partnergruppen und Diskussionsrunden im Plenum. Weiter wird die Lehrmethode „Journalclub“ angewandt, in der die Studierenden aktuelle oder einschlägige Artikel zu Forschungsergebnissen in Kürze vorstellen und diskutieren. Vorbereitung und Absprachen erfolgen über die Lehrnplattform Moodle.
Die Projektteams bestehen i.d.R. aus vier bis fünf Teilnehmern. Durch die Einbeziehung Studierender aus unterschiedlichen Studiengängen (z. B. aus den Politikwissenschaften und den Erziehungswissenschaften) lassen sich diese Teams interdisziplinär besetzen, wodurch die jeweiligen Disziplinperspektiven als zusätzliche Stärke bei der Analyse genutzt werden können. Kennzeichnend sind zwei didaktische Elemente: regelmäßige Reflexionsphasen und eine begleitende Evaluation. Für erstere wird den Studierenden werden im Rahmen des Seminars und im Moodle-Kurs die Möglichkeit gegeben, ihren eigenen Lernfortschritt zu analysieren und mit ihren Kommilitonen und den Lehrenden abzugleichen. Der Fokus liegt hierbei u.a. auf der Frage, wo individuelle Probleme bestehen und wie diese gelöst werden können. Um ServeLearnPuMa im Sinne einer formativen Evaluation noch während dem Semester weiterentwickeln zu können, wird bei der begleitenden Evaluation gezielt der gewünschte Anpassungsbedarf eruiert.
Durch den Einsatz von E-Learning-Instrumenten insbesondere über die Lernplattform Moodle werden Dokumente ausgetauscht und die Kommunikation zwischen den Gruppen und die gegenseitige Hilfe zur Problemlösung ermöglicht. Somit werden die unterschiedlichen Erfahrungen bei den Praxispartnern mit den Lernzielen verbunden. Die Lernergebnisse werden anhand einer schriftlichen Studienarbeit bzw. eines Abschlussberichts überprüft. In der Mitte des Projekts verfassen die Gruppen online Reflexionsessay, bei denen sie gegenseitig die jeweils gesehenen Möglichkeit zur Anwendung von Theorien in der Praxis hinterfragen und bewerten. Daneben stellen die Gruppen ihre Ergebnisse in einer Abschlusspräsentation vor. Zum Abschluss des Projekts folgt ein zweiter Essay mit einer abschließenden Gesamtreflexion des Projekts. Durch dieses didaktische Element sollen Kompetenzen gestärkt und die Auseinandersetzung mit Ergebnissen/Erfahrungen anderer Gruppen gefördert werden.
Zielstellung
Die Studierenden sollen nach Abschluss von ServeLearnPuMa:
die in den begleitenden Vorlesungen vermittelten Theorien, Methoden und Instrumente besser verstehen und
diese auf eine reale Problemstellung anwenden und im Team Weiterentwicklungsvorschläge entwickeln können,
den Theorie-Praxis-Transfer kritisch reflektieren können,
ihren Lernfortschritt im Projektkontext reflektieren können,
auf das Lösen praktischer Problemstellungen besser vorbereitet sein,
ihre weiterentwickelten Kompetenzen bezüglich Projektmanagement, Präsentationen, Führungsfähigkeit, Zeitmanagement und Teamfähigkeit in weitere Projekte einbringen können und
konkrete Einblicke in mögliche künftige Berufsfelder erhalten haben sowie
ein ausgeprägteres Verständnis der Relevanz eines leistungsfähigen öffentlichen Sektors entwickelt haben.
Übergreifend:
Die Lehrform Service Learning soll gefestigt und weiterentwickelt werden sowie für andere interessierte Lehrstühle nutzbar gemacht werden.
ServeLearnPuMa soll dem Leitbild der Universität entsprechend eine frühe Heranführung an die wissenschafliche Forschung unterstützen sowie eine interdisziplinäre und praxisorientierte Lehre fördern, wodurch ein Beitrag zur positiven Profilierung von Fakultät und Universität geleistet wird.
Insgesamt soll das Bewusstsein und die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement in wichtigen gesellschaftlichen Feldern gestärkt werden.
Belegte Effekte von Service Learning und Forschungshypothesen
Erfassen des Nutzens von Theorien für Praxislösungen (Kenworth-U‘Ren/Peterson 2006, S.276; St.Clair/Tschirhart 2007, S.48)
Tiefere kognitive Verarbeitung der Lehrinhalte (Godfrey et al. 2005, S.321; Papamarcos 2005, S.34;St. Clair/Tschirhart 2007, S.48)
Stärkeres, gemeinnütziges Engagement auch nach Projektende (Haski-Leventhal et al. 2010, S. 170f.)
Förderung von Interdisziplinarität und des Umgangs mit Heterogenität in der Lehre (DiPadova-Stocks 2005, S.346; St. Clair/Tschirhart 2007, S.48)
Gesteigerte Wahrnehmung der Relevanz wissenschaftlicher Methoden und Instrumente für die praktische Problembewältigung
Erhöhung des Bewusstsein für Bedeutung eines leistungsfähigen öffentlichen Sektor und gesellschaftlicher Arbeit
Weiterführende Informationen
Papenfuß, Ulf/Redlich, Matthias/Steinhauer, Lars/Friedländer, Benjamin (Hrsg.; 2015): Forschend und engagiert lernen im Public Management: Befunde und Gestaltungsanregungen eines Service Learning Lehrforschungsprojektes, 2. aktualisierte Auflage, Arbeitspapier der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, Nr. 140 (08/2015), ISSN 1437-9384. [pdf]
Papenfuß, Ulf/Redlich, Matthias/Steinhauer, Lars (Hrsg.; 2014): Forschend und engagiert lernen im Public Management: Befunde und Gestaltungsanregungen eines Service Learning Lehrforschungsprojektes. Arbeitspapier der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, Nr. 133 (10/2014) ISSN 1437-9384. [pdf]
Service Learning-Poster [pdf]
Service Learning Flyer [pdf]
Das Projekt gehört zu den Good Practice-Beispielen der LaborUniversität. Die entsprechende Zusammenfassung finden Sie hier.
Das Hochschulnetzwerk Bildung durch Verantwortung [Link] trägt den Gedanken des Service Learnings über die Grenzen der Hochschule hinaus und bietet weiterführende Informationen zum Thema zivilgesellschaftliches Engagement von Studierenden, Lehrenden und anderen Hochschulangehörigen.
Literatur
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Colby, A. et al. (2003): Educating Citizens. Preparing America’s Untergraduates for Lives of Moral and Civic Responsibility. San Francisco.
DiPadova-Stocks, L. N. (2005): Two Major Concerns About Service-Learning: What if We Don’t Do It? And What if We Do?, in: Academy of Management Learning & Education, Vol. 4, No. 3, pp. 345-353.
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Kenworth-U’Ren, A. I.; Peterson, T. O. (2006): Service-Learning and Management Education: Introducing the „WE CARE“ Approach, in: Academy of Management Learning & Education, Vol. 4, No. 2, pp.- 272-277.
Papamarcos, Steven D. (2005): Giving Traction to Management Theory: Today’s Service-Learning, in: Academy of Management Learning & Education, Vol. 4, No. 3, pp. 325-335.
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